Die Entwicklung des Begriffs Sprachbund in der Balkanlinguistik

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Inhaltsangabe > 4. Die Sprachbundtheorie > 4.1 Trubetzkoys Definition >

4.1.1 Sprachbund versus Sprachfamilie

Der Begriff Sprachbund wird von Trubetzkoy in Abgrenzung zum Begriff Sprachfamilie definiert. Bei beiden handelt es sich um Kohyponyme des Oberbegriffs Sprachgruppe und sie schließen einander aus: der Sprachforscher muss entscheiden, so Trubetzkoy, ob er eine "Sprachgruppe für einen Sprachbund oder für eine Sprachfamilie hält." Allerdings kann eine Sprache sehr wohl einem Sprachbund und einer Sprachfamlie angehören, so das Beispiel des Bulgarischen. Ob eine Sprache nun auch mehreren Sprachbünden angehören dürfe, darüber verliert Trubetzkoy in seiner Definition leider kein Wort. Dies führt bei einigen Sprachbundforschern dazu, die Sprachen der Welt in bezug auf Sprachbünde so zu klassifizieren, wie sie zuvor in bezug auf Sprachfamilien klassifiziert wurden: Jede Sprache wird genau einem Sprachbund zugeordnet. Die Ergebnisse sind auf Karten zu sehen, auf denen die Welt in areallinguistische Gebiete unterteilt ist, wobei weder Überlappungen noch weiße Flecken sichtbar sind (vgl. hierzu auch 2.2 Trubetzkoy und die Sprachbundforschung). Der areale Aspekt der Sprachbünde findet bei Trubetzkoy allerdings noch keine Erwähnung.

Neben der genetischen und arealen Klassifizierung der Sprachen gab es freilich schon lange die der allgemeinen Sprachtypologie, deren Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen und sich mit Namen wie A. Smith, Schlegel und W. v. Humboldt verband. Diese dritte Art der Sprachgruppierung, die genetische und areale Gesichtspunkte außer acht lässt, wurde von Trubetzkoy in der o.g. Definition leider nicht berücksichtigt. Erst Greenberg unterscheidet diese drei Methoden der Klassifizierung von Sprachen (S. 66).

Was Trubetzkoys Oberbegriff "Sprachgruppe" anbelangt so trifft sich dieser sehr gut mit dem Begriff "unité linguistique", den Sandfeld auch auf die Balkansprachen anwendet:

Bien que d'origine très diverse, les langues parlées par ces peuples [i.e. die Balkansprachen] ont développé nombre de traits communs qui en font une unité linguistique remarquable rappelant, sous bien des rapports, les unité linguistiques qui ont pour base une origine commune, comme c'est le cas des langues romanes, des langues germaniques, etc. (S. 6)

Trubetzkoys Begriff "Sprachbund", der heute im Französischen als "union linguistique" wiedergegeben wird (vgl. Georgiev 1968, S. 7 sowie 1977, Titel), findet bei Sandfeld allerdings noch keine Entsprechung. Er forderte allerdings eine "spezielle Wissenschaft" zur Erforschung dieser Art der "unité linguistique": "Il y a donc lieu d'en faire l'étude comparative comme pour les groupes de langues apparentées et de constituer une 'linguistique' spéciale" (ebd.)

4.1.2 Definition der Übereinstimmungen >