Die Entwicklung des Begriffs Sprachbund in der Balkanlinguistik

HTML-Version, © 2000 / 2005 by Jörg Kruse

Zur Haupt-Navigation

Inhaltsangabe > 3. Ergebnisse der Balkanlinguistik > 3.2 Erklärungsmodelle > 3.2.1 Herkunft der Balkanismen >

3.2.1.1 Thrako-illyrisches Substrat

Das älteste Modell, dass die Übereinstimmungen zwischen den Balkansprachen erklärt, führt diese auf ein Substrat zurück. Schon Thunmann glaubte an eine gemeinsame Herkunft der Albaner und Rumänen:

die Wlachen [...] deren erster Stamm wahrscheinlich mit dem Albanischen einerlei gewesen, aber mit der Zeit, und durch eine stärkere Vermischung mit anderartigen Völkern, auch von demselben sich entfernet hat. Auch hiervon zeuget so wohl die Geschichte als die Sprache (S. 246).

Die Albaner sind nach Thunmann "Nachkoemmlinge der alten Illyrier, so wie ihre Nachbarn die Wlachen [...] Kinder der Thracier sind" (S. 240). Auch Kopitar stützte diese These:

Daß aber ihr [der rum. Sprache, sc.] nichtlateinischer Bestandtheil der illyrischen (heut zu Tage albanesischen) oder doch einer mit dieser sehr nahe verwandten Sprache angehört, zeigen nicht allein viele Wörter dieser Art, die diese beyden Sprachen mit einander gemein haben, sondern mehr noch, und eigentlich entscheidend, der gleiche grammatische Bau diesen zwey Bruder- und Nachbarvölkern, davon das eine, im Gebirge, Form und Materie seiner Sprache gerettet, das andere, im Thale, zwar römische Materie, aber doch nur in seine Form umgegossen, angenommen hat. (S. 253)

Die Substrat-Hypothese blieb im 19. Jahrhundert vorherrschend, Miklosich führte die Balkanismen auf das "alteinheimische[n] Element" zurück (S. 6).

Im 20. Jahrhundert trat die Substrat-Hypothese mehr und mehr in den Hintergrund, Die wenigen Sprachdenkmäler dieser Sprachen geben gerade in bezug auf ihre grammatische Struktur spärliche Auskunft: inwieweit z.B. der nachgestellte Artikel auf ein thrakisches Substrat zurückzuführen ist, bleibt strittig. Unstrittig sind dagegen die schon von Thunmann beschriebenen Gemeinsamkeiten im albanischen und rumänischen Wortschatz, die u.a. von Solta ausführlich in seinem Buch Einführung in die Balkanlinguistik mit besonderer Berücksichtigung des Substrats und des Balkanlateinischen behandelt wird (Kapitel II, S. 11-63).

3.2.1.2 Griechisches und lateinisches Adstrat >