Die Entwicklung des Begriffs Sprachbund in der Balkanlinguistik
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Inhaltsangabe > 2. Balkanlinguistik und Sprachbundforschung: historischer Überblick >
2.3 Die Balkanlinguistik nach Sandfeld
Wie in Kapitel 2.1 bereits beschrieben, bildete Sandfelds linguistique balkanique einen vorläufigen Abschluss der balkanlinguistischen Forschungen. Neue Impulse kamen nun von der strukturalistischen Schule, so die Arbeit Havráneks in Hinblick auf die phonologischen Gemeinsamkeiten der Balkansprachen. Vor allem wurde die praktische Arbeit, die die Balkanlinguisten von Kopitar bis Sandfeld bei der Zusammenstellung der Balkanismen geleistet haben jetzt mehr und mehr ergänzt durch eine theoretische Diskussion um den Begriff Sprachbund.
Zunächst erlebte die Balkanlinguistik eine lange Flaute (bedingt v.a. durch den zweiten Weltkrieg), die erst in den Sechziger Jahren einem wiedererstarktem Interesse seitens der Sprachwissenschaft an den Balkansprachen wich. Kennzeichen hierfür waren die Gründungen mehrerer Zeitschriften, wie z.B. die Zeitschrift für Balkanologie. Der im dritten Band erschienene Artikel Balkanslavisch und Südslavisch. Zur Reichweite der Balkanismen von Birnbaum trug wesentlich zur Diskussion um den Begriff Sprachbund bei. 1966 fand der premier congrès international des études balkaniques et sud-est européennes in Sofia statt. Besonders herausragend war dort die Diskussion zwischen Andriotis einerseits und Georgiev andererseits über die Frage, ob man im Falle der Balkansprachen von einem Sprachbund sprechen kann oder nicht. 10 Jahre später war der Begriff Balkansprachbund dann das Thema des colloque international sur les problèmes de la linguistique, das ebenso in Bulgarien stattfand, diesmal in Varna. Während in anderen Balkanländern der Begriff Sprachbund eher mit Ablehnung bedacht wird (so z. B. in Rumänien von Graur und in Griechenland von Andriotis) zählen vor allem bulgarische Sprachwissenschaftler zu den Befürwortern dieses Begriffes: neben Georgiev sind dabei in erster Linie Asenova und Duridanov zu nennen.
Ab Mitte der Siebziger Jahre erscheinen mehrere Monographien, die, rund ein halbes Jahrhundert nach Sandfeld, die balkanlinguistischen Forschungsergebnisse in ihrer Gesamtheit darstellen. Zu nennen sind hier in erster Linie die Einführungen Schallers (1975) und Soltas (1980), sowie Asenovas Ъалканско езикознание (1989). Vor allem Schaller und Asenova arbeiten mit den Begriffen Balkansprachbund, Balkansprache und Balkanismus, die sie in ihren Arbeiten weiter ausdifferenzieren. Neben diesen Gesamtdarstellungen des Balkansprachbundes wurden auch einzelne Balkanismen näher unter die Lupe genommen. So behandelte beispielsweise Joseph detailliert den Balkanismus INFINTIV. Doch auch die Kritik an den Unzulänglichkeiten des Begriffs Sprachbund wuchs beständig. In neuerer Zeit tat sich unter den Kritikern besonders Reiter hervor, der diesen Begriff rundweg ablehnt.