Die Entwicklung des Begriffs Sprachbund in der Balkanlinguistik

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Inhaltsangabe > 3. Ergebnisse der Balkanlinguistik > 3.1 Die Balkanismen >

3.1.1 Das Inventar der Balkanismen

Wie unter 2.1 dargestellt, hat bereits Thunmann Entsprechungen des albanischen und rumänischen Wortschatzes aufgezeigt. Doch entscheidender für die Entwicklung der Balkanlinguistik (vgl. hierzu 3.1.2.1 Lexikalische, phonologische und morhologisch-syntaktische Balkanismen) waren Kopitars Entdeckungen im grammatikalischen Bereich:

In Rücksicht auf das Grammatische ist die allen drey Sprachen [Rumänisch, Albanisch, Bulgarisch] gemeinschaftliche Anhängung des Artikels der schlagendste Beweis ihres gleichen Baues. Die Auflösung des Infinitivs in den Konjunktiv mit u [sic!] (non possum ut faciam für non possum facere), so wie die Formation des Futurum mittels volo, hat sich sogar einerseits ins Neugriechische, andererseits ins Serbische verbreitet. (S. 272)

Miklosich erweitert Kopitars Aufzählung der grammatikalischen Übereinstimmungen um folgende Punkte:

Die Bezeichnug des Genitivs und des Dativs durch dieselbe Form [...] Das häufige Vorkommen des Lautes ? [...] die Verbindung der abgekürzten (enklitischen) mit den vollen Dativ- und Accusativformen der persönlichen Pronomina [...] der Ausdruck der Zahlen von 11-19 durch Verbindung der Zahl zehn mit den Zahlen von 1-9 mittelst einer Präposition sowie einige systematische Lautwechsel (S. 6 f).

Sandfeld schließlich komplettiert das Inventar der "concordances générales en dehors du lexique" (S.162 ff). Zu nennen sind hier vor allem: "Emploi de pronoms personnels datifs au lieu de possessifs" (S. 185 f), "Mêmes formes pour marquer 'ubi' et 'quo'" (S. 191 f) und "Emploi de deux régimes directs" (S. 201 f). Der Vokativ im Rumänischen und Bulgarischen fällt bei Sandfeld (wie die Bildung der Zahlwörter von 11 bis 19) unter die Kategorie "concordances entre différentes langues balkaniques" (S.147f / vgl. hierzu auch 3.1.4 Verbreitung der Balkanismen). In die Kategorie "concordances générales" finden dagegen noch zahlreiche "kleinere" Balkanismen wie z.B. Lehnprägungen Eingang (vgl. hierzu auch Definition von "Mikrobalkanismen" durch Hinrichs in 3.1.2.2 "Makro-", "Mikro-" und "systematische" Balkanismen).

Mit Sandfeld ist die Erfassung der Balkanismen weitgehend abgeschlossen, eine Ausnahme stellt sicher Reichenkrons "Redetaktrhytmus der Balkansprachen" dar (S. 99 f). Was folgt in der Balkanlinguistik, ist eine detailliertere Beschreibung der Übereinstimmungen, z.B. im Hinblick auf die einzelsprachlichen Ausprägungen (vgl. 3.1.3 Einzelsprachliche Ausprägung der Balkanismen) oder auf ihre Verbreitung (vgl. 3.1.4 Verbreitung der Balkanismen).

3.1.2.1 Lexikalische, phonologische und morhologisch-syntaktische Balkanismen >