Die Entwicklung des Begriffs Sprachbund in der Balkanlinguistik
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Inhaltsangabe > 4. Die Sprachbundtheorie > 4.3 Pro und contra (Balkan-)Sprachbund >
4.3.4 Sprachbund als Stufe der Sprachmischung
In Kapitel 4.3.1 Bewertung der Balkanismen wurde bereits deutlich, dass Georgiev bei einer höheren Anzahl von Übereinstimmungen ("50 %") einen Sprachbund nicht mehr als solchen, sondern schon als dialektal differenzierte Einzelsprache oder als eine Gruppe eng verwandter Sprachen klassifizieren würde. Dies bedeutet, dass
L'union linguistique ne représente [...] que l'évolution vers une intégration, mais arrêtée à mi–chemin. Ce fait explique tout: les traits communs spécifiques, l'inégalité de leur répartition géographique [...], l'homogénéité et la diversité de leur origine. [...] le terme union linguistique est absolument nécessaire pour désigner l'évolution homogène de langues différentes qui embrasse non seulement le lexique, mais aussi la phonétique, la morphologie, la syntaxe et la formation des mots. (1968, S. 9)
Steinke zieht hier eine Parallele zwischen einer prognostizierten und einer rekonstruierten Einzelsprache:
Die Perspektive ist also hier im Gegensatz zum Divergenzmodell von einem bestimmten Sprachzustand aus auf die Zukunft gerichtet. Befindet sich der betreffende Sprachzustand, von uns aus gesehen, irgendwann in der Vergangenheit, so liegt heute u. U. bereits das Resultat der Entwicklung, die neue Sprache, vor. Will man nun den Unterschied zur Rekonstruktion terminologisch fassen, so bietet sich die Bezeichnung Prognose an. [...] Der Balkansprachbund zeichnet sich nun dadurch aus, daß in diesem besonderen Falle einige Sprachen unterschiedlicher Provenienz deutliche Spuren einer konvergierenden Entwicklung erkennen lassen, jedoch den Endpunkt, d.h. die einheitliche Balkansprache, nicht erreicht haben; und es ist zweifelhaft, ob dieser Endpunkt jemals erreicht werden konnte oder werden kann. (1983, S. 230)